Determinismus & Freiheit

Grenzen

Der Themenbereich rund um die Souveränität Gottes und die Freiheit des Menschen ist sehr komplex und tiefgründig. Kleinste Fehler in der eigenen Philosophie können hier große theologische Auswirkungen haben. Um uns vor verheerenden Folgen zu schützen, hat auch hier die Kirche klare dogmatische Leitplanken eingeführt. Wir sind frei philosophische Erklärungsmodelle für die Beziehung zwischen Freiheit und Determinismus zu entwickeln und anzunehmen, solange wir diese doktrinellen Grenzen zu unserem eigenen Seelenheil dabei einhalten.

Folgende Lehren müssen geglaubt werden, um Häresie zu vermeiden. Jede philosophische Theorie muss hiermit übereinstimmen, um katholisch sein zu können.

  • Gott ist moralisch gerecht.
  • Der Mensch ist moralisch ein Sünder.
  • Der Mensch ist moralisch verantwortlich.
  • Gott weiß alles von Ewigkeit zu Ewigkeit.
  • Gott ist allmächtig.
  • Gott ist ewig.
  • Gott ist der Herr.
  • Der Mensch ist von Gottes Gnade abhängig.
  • Der Mensch kann in den Augen Gottes ohne die Hilfe der Gnade nichts Gutes tun.
  • Erwählung zur Hölle ist auszuschließen (keine doppelte Prädestination).
  • Gott hat die Sünde nicht vorherbestimmt.
  • Gott ist nicht die Ursache für den Fall Adams.
  • Gott verlässt niemanden, ohne von ihm verlassen worden zu sein.
  • Gott lässt keine Versuchung zu, der wir nicht widerstehen können.
  • Gott hat die Bestrafung der Bösen vorherbestimmt.
  • Die Gnade, sich bekehren zu können, ist allen Sündern gegeben. Gott befiehlt nichts Unmögliches. Indem er allen Menschen befiehlt, Buße zu tun, gibt Gott allen Menschen die Kraft zur Buße. Gott will, dass alle Menschen gerettet werden, und gibt ihnen die Fähigkeit, gerettet zu werden.
  • Die Prädestination der Auserwählten ist unfehlbar. Sie wird sich erfüllen.
  • Gott prädestiniert die Auserwählten nicht aufgrund des Vorwissens über ihre eigenen guten Werke. Das ist die pelagianische Lehre und häretisch.
  • Gott hat die Auserwählten nicht nur für die Anfangs- oder Endphase des Heils vorherbestimmt und überlässt es ihnen zu einem bestimmten Zeitpunkt, im Glauben zu verharren. Das ist die semi-pelagianische Lehre und häretisch.

(Vollständigkeit der Liste ohne Gewähr)

Apologetische Vor-Gedanken

Da Gott über uns Menschen alle erhaben ist und Seine Gedanken höher sind als unsere, wäre es nicht verwunderlich noch unlogisch, wenn es bestimmte Mysterien im Glauben gibt, die wir Menschen nicht oder gar niemals vollständig begreifen werden.

Dennoch sollte es vermieden werden, ein Mysterium durch eine Absurdität auflösen zu wollen. Besser ist es, schwer verständliche Mysterien einfach stehen zu lassen. Denn es ist besser sich auf ein Mysterium zu berufen, da dies wenigstens demütig ist, auch wenn man keine Lösung für ein Problem darbieten kann. Auf der anderen Seite ist es schlechter sich auf Absurdität zu berufen. Denn Absurditäten sind irrational und somit falsch und dem Glauben hinderlich. Eventuell kann es sogar hochmütig sein eine Absurdität hochzuhalten, da man sich selbst immer tiefer in Probleme verstrickt nur um nicht zugeben zu müssen, keine Antwort zu haben.

Nichtsdestotrotz ist es für apologetische Zwecke jedoch optimal, wenn ein scheinbarer Widerspruch eines vermeintlich unbegreiflichen Mysteriums aufgelöst oder zu mindestens näherungsweise erklärt werden kann, sofern hier auch klar die Grenzen des Erklärbaren aufgezeigt werden. Die Berufung auf ein Mysterium soll also weder der Irrationalität noch der intellektuellen Faulheit Vorschub leisten. Das Bemühen und Ringen um eine rechtgläubige Lösung eines Problems ist Gott mit ganzen Verstand zu lieben sowie den Nächsten, der an diesem Problem vielleicht geistlich-intellektuell zu kämpfen.

Es ist eine gesunde Grundhaltung, immer die Option in Erwägung zu ziehen, dass Gott bestimmte Wahrheiten (noch) nicht offenbaren wollte. Wenn dies eindeutig der Fall sein sollte, ist dies immer demütig zu akzeptieren. Diese Grundhaltung widerspricht nicht der oben erwähnten Liebe und des apologetischen Eifers, Sachverhalte erklären zu wollen. Denn im Zweifel, wenn wir nicht wissen, ob Gott eine Einsicht offenbar machen wollte, sollten wir so weit wie möglich weiterhin nach einer Lösung suchen. Eventuell gewährt Gott jetzt oder später weitere Einsicht als bisher.

Gott tritt den Stolzen entgegen, den Demütigen aber schenkt er Gnade.

(Jak 4,6b)

Biblischer Befund

Es gibt zahlreiche Bibelstellen zu dieser Thematik, die schwierig zu verstehen sind. So wird beispielsweise von reformierter Seite häufig Stellen genannt wie Spr 16,4, wonach calvinistischer Lehre Gott angeblich Leute erschafft, um sie in die Hölle zu werfen (doppelte Prädestination). Beliebt sind auch Stellen wie die häufig sogenannte “goldene Kette der Vorherbestimmung” in Röm 8,29-33 oder generell als Klassiker das Kapitel Röm 9. Auch wird manchmal in den Raum geworfen, dass Gott nach Apg 2,23 und Apg 4,27-28 Gott das Schlimmste Verbrechen überhaupt vorherbestimmt hat: die Tötung des Sohnes Gottes. Diese Problemstellen sind in der Apologetik auf jeden Fall zu behandeln. Auch müssen philosophisch-theologische Modelle folgende biblische Befunde integrieren oder erklären können:

Gott wirkt scheinbar auch Unglücke:

Bläst in der Stadt jemand ins Horn, ohne dass das Volk erschrickt? Geschieht ein Unglück in der Stadt, ohne dass der HERR es bewirkt hat?

Amos 3,6

Gott hat scheinbar sogenanntes “Middle Knowledge”:

Und wenn jene Tage nicht verkürzt würden, dann würde kein Mensch gerettet; doch um der Auserwählten willen werden jene Tage verkürzt werden.

Mt 24,22

Gott kann scheinbar das Herz des Menschen zum Bösen wenden:

Er wandelte deren Sinn zum Hass gegen sein Volk, sodass sie an seinen Knechten tückisch handelten.

Ps 105,25

Wie ein Wasserbach ist das Herz des Königs in der Hand des HERRN; er lenkt es, wohin er will.

Spr 21,1

Denn sie konnten nicht glauben, weil Jesaja an einer anderen Stelle gesagt hat: Er hat ihre Augen blind gemacht und ihr Herz hart, damit sie mit ihren Augen nicht sehen und mit ihrem Herzen nicht zur Einsicht kommen, damit sie sich nicht bekehren und ich sie nicht heile.

Joh 12,39-40

Gott wirkt scheinbar das “Zufällige”:

Im Bausch des Gewandes schüttelt man das Los, doch jede Entscheidung kommt vom HERRN.

Spr 16,33

Was ist Freiheit?

“Freiheit ist der Gegensatz zu Notwendigkeit.”

Es gibt verschiedene Konzepte davon, was Freiheit ist. Grob können wir den Begriff Freiheit unter drei verschiedenen Aspekten betrachten:

Sittliche Freiheit:

Der Gebrauch des Freien Willen. Wahlfreiheit der Mittel. Die Fähigkeit sich im Guten zu bewegen. Verabsolutiert und ohne Verankerung an das Gesetz: Freizügigkeit.

Psychologische Freiheit:

Die intellektuelle Fähigkeit sich nach dem oder jenem Gut hinzubestimmen unabhängig von inneren Notwendigkeiten (Reflex, Instinkt etc.). Sogenannter Freier Wille. Eigentlich Wollensfreiheit.

Physische Freiheit:

Handlungsfreiheit oder Freiheit vom Zwang (unabhängig von äußeren Notwendigkeiten (körperliche Limitiertheit, andere (z.B. finanzielle) Limits)). Je nach Deutung und (meta)physischer Verortung des freien Willens kann die Handlungsunfreiheit auch die Wollensfreiheit einschränken.

Freiheitsvarianten im Vergleich

Um besser zu verstehen wie sich diese Aspekte der Freiheit zu einander verhalten und wie sie sich praktisch auswirken, habe ich folgende Tabelle erstellt.

Freiheitsart: Bezugsgröße: Nicht vorhanden: Vorhanden: Missbrauch: Verabsolutiert: Kriterium für Todsünde (Freiwilligkeit):
Wahlfreiheit (sittlich) Option Sündenknechtschaft (kann eventuell die Willens- oder Handlungsfreiheit einschränken) Christliche Freiheit Freizügigkeit Autonomie – – –
Willensfreiheit (psychologisch) Entscheidung Inkompatibilistischer Determinismus Indeterminismus/Libertarismus Gedankensünde Allwissenheit bedachte Zustimmung
Handlungsfreiheit (physisch) Fähigkeit z.B. Gefängnisaufenthalt Kompatibilistischer Determinismus Tatsünde Allmacht volles Bewusstsein

Freier Wille und die Allwissenheit Gottes

Um die Beziehung von der Allwissenheit Gottes und der scheinbaren oder tatsächlichen Freiheit des Menschen darzustellen, wurden u.a. folgende Modelle erdacht und vertreten:

Freier Wille: Vorherwissen: Vertreter:
Libertarismus Vergangenheit, Gegenwart Z.B. Open Theist
Libertarismus Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft Z.B. Klassischer Arminianer
Libertarismus Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, Kontrafaktisches Z.B. Molinist
Kompatibilsmus Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, Kontrafaktisches Z.B. Calvinist

Manche (In)Determinismus-Varianten im Vergleich

Bei der Beschäftigung mit der Frage der Freiheit kommt man früher oder später zur Frage, ob und welche Ereignisse determiniert sind. Verschiedene Varianten werden bei dieser Frage vertreten:

Ereignisse sind: vollständig verursacht vollständig verursacht nicht vollständig verursacht nicht vollständig verursacht
Position Determinismus Determinismus Indeterminismus Indeterminismus
Untergruppen physischer bzw. physikalischer Determinismus metaphysischer Determinismus statistische Kausalität (statistisch verursacht) Akausalität (unverursacht)
Physik Klassische Physik oder deterministische Deutung der Quantenphysik (z.B. David Bohm). Die vollständige Ursache ist nicht bekannt (epistemischer Indeterminismus), aber vorhanden. Die Art und Weise mentaler Verursachung ist noch nicht geklärt. Gott steht hinter der Determinierung. Kopenhagener Deutung der Quantenphysik. Phänomene der Quantenphysik (z.B. „spontane“ Zerstrahlungsprozesse bei radioaktivem Zerfall).

Das Verhältnis von Freiheit und Determinismus

Philosophen streiten sich bei dem Verhältnis von Freiheit und Determinismus, welche Seite mehr zu vernachlässigen oder gar zu leugnen ist, ob beide Größen vielleicht miteinander harmonisierbar sind oder ob eine Antinomie vorliegt. In den verschiedenen theologischen Schulen drückt sich dieses Problem folgendermaßen aus:

Betonung der göttlichen Souveränität Betonung der menschlichen Freiheit Harmonisierungsversuch
Souveränität/ Weltregierung Gottes Gott bestimmt/ verursacht alles, was geschieht. Gott herrscht über alles, was geschieht. Es gibt kein mächtigeres Wesen als Gott. Gott verursacht in Seiner Allmacht die kontrakausale Freiheit des Menschen.
Kreatürliche Freiheit Der Mensch besitzt Handlungsfreiheit, aber keine Willens-/ Entscheidungsfreiheit. Der Mensch besitz eine kontrakausale (Willens-/ Entscheidungs-) Freiheit. Der Mensch hat als Ebenbild Gottes mit dem freien Willen eine reale Erstursache aus sich selbst heraus (Selbst-Determinierung).

Viele Denker sind hier zu dem Schluss gekommen, dass sich Freiheit und Determinismus (oder in der Theologie: kreatürliche Freiheit vs. Souveränität Gottes) nicht harmonisieren lassen. Sie ziehen hier eine intellektuelle Grenze und sehen eine Antinomie vorliegen.

Was ist eine Antinomie und wie ist damit umzugehen?

”Was ist nun eine Antinomie? Eine gängige Definition lautet: »ein Widerspruch zwischen Schlußfolgerungen, die in gleicher Weise folgerichtig, vernünftig und notwendig erscheinen«. Eine Antinomie liegt dort vor, wo zwei Grundsätze nebeneinander stehen, die scheinbar unvereinbar, jedoch beide unbestreitbar sind.”

James I. Packer (Prädestination und Verantwortung, S. 13)

Eine Antinomie oder Komplementarität ist ein epistemologischer Widerspruch, aber nicht notwendigerweise auch ein ontologischer Widerspruch. Das Problem liegt also im Verstehen des Subjektes (Denker) nicht in der Wirklichkeit der Objekte (Probleme) selbst. So ist es beispielsweise bei unserem Thema Freiheit und Determinismus sowie Verantwortung und Vorherbestimmung sehr gut möglich, dass dieser Konflikt nur bei Menschen vorkommt, aber aus der Perspektive Gottes Auflösung findet. Oder um uns als Apologeten demütig und zugleich hoffnungsvoll lernwillig zu halten, können wir bereitwillig anerkennen, dass dieses Verständnisproblem vielleicht nur bei uns vorliegt, von anderen Menschen oder zu einem späteren Zeitpunkt aber in Wohlgefallen aufgelöst werden kann.

Hier gibt es jedoch ein Problem. Es gibt häufig auch nach großen Anstrengungen des Studiums und der Reflexion keine Mittel, einen scheinbaren von einem tatsächlichen Widerspruch zu unterscheiden. Ob eine Antinomie vorliegt oder ein tatsächlicher Widerspruch, kann nur im Nachhinein entschieden werden, wenn das Problem geklärt werden konnte.

Wenn wir also ein Problem nicht lösen können, ist es vielleicht hilfreich zu prüfen, ob tatsächlich formal logisch kontradiktorische Aussagen vorliegen. Solange dies nicht der Fall ist, sind Mysterien auszuhalten und legitim, da eventuell einfach nur ein Mangel an Wissen/Offenbarung oder an Verständnis dessen vorliegt. Eine klare Kontradiktion ist jedoch zu vermeiden, da sie quasi ein epistemologischer Joker ist, mit dem man alles begründen könnte (und somit faktisch nichts wirklich).

Manchmal lassen sich Antinomien wie folgt auflösen: Es besteht kein wirklicher Widerspruch, sondern indifferente oder konträre Aussagen wurden von Subjekten in eine falsche Beziehung zueinander gesetzt.

Biblischer Freiheitsbegriff

Unabhängig davon, was in der Welt für ein Freiheitsbegriff herrscht, so haben wir Christen uns an ein biblisches Konzept der Freiheit zu halten. Schließlich interessiert uns ja sonst auch nicht das humanistische Menschenbild oder der liberalistische Moral- und Sündenbegriff, sondern was die Bibel darüber zu sagen hat.

Was sagt also die Heilige Schrift über Freiheit? Heißt Freiheit, alles tun zu können? Wohl kaum, denn selbst Gott ist an Sein eigenes Wesen gebunden und kann beispielsweise nicht lügen (Tit 1,2). Und doch ist Gott wohl das freieste Wesen, was es gibt. Denn die Wahrheit ist es, die uns frei macht (Joh 8,32). Gott ist also gerade in der Eigenschaft, dass Er nicht lügen kann frei. Denn die Wahrheit macht frei. Selbes gilt für die Sünde generell. Gott sündigt nicht. Und so sollten auch wir nicht sündigen, wenn wir so frei sein wollen wie Gott. Die Bibel bestätigt es, dass Freiheit vor allem die Freiheit vor der Sündenknechtschaft ist. Christus hat uns aus der “Sklaverei” (Unfreiheit) der Sünde “befreit”. Es ist also nicht Freiheit, wenn wir uns selbst wieder unter die Sündenknechtschaft versklaven würden. Freiheit ist also die Pflicht, das Gute zu tun. Lieben zu können ist Freiheit. Sünde versklavt und macht unfrei. Wir sind also unfrei zu sündigen, darin aber frei. Augustinus fasst es so zusammen: “Liebe und dann tu, was du willst.”

Kausalität

Häufig können Antinomien geklärt werden, wenn wir prüfen, welche Art von Gründen vorliegen. Eine gute Unterteilung in verschiedene Arten von Gründen findet sich in der folgenden Tabelle:

Lateinische Bezeichnung: Deutsche Bezeichnung: Erläuterung: Beispiel “Haus”: Beispiel “Schöpfung”: Beispiel “Sündenfall”: Beispiel “Errettung”: Beispiel “(freier) Wille”:
causa efficiens Wirk-/ Bewegungsursache das, woher der erste Anlass von Bewegung und Ruhe oder einer Wirkung kommt Architekt Gott Mensch Gott Entscheidung (frei)
causa formalis Formursache die Struktur; das, was angibt, worin das Sein einer Sache besteht; Idee Bauplan Ungehorsam Liebe und Gnade Gottes Absicht (eventuell determiniert durch Charakter, Wünsche, Wissen und Bedürfnisse)
causa materialis Material-/ Stoffursache das, aus dem eine Sache entsteht und dabei in ihr enthalten ist Holz und Ziegel Nichts Essen der Frucht Werk am Kreuz Optionen (eventuell determiniert durch die Umstände)
causa instrumentalis Instrumentalursache das, was zur Entstehung einer Sache verwendet wird Hammer und Kran Gottes Wort Kraft der Willensfreiheit Kooperation des Menschen Wahl (eventuell limitiert aber nicht notwendigerweise determiniert durch die Optionen)
causa finalis Ziel-/ Zweckursache das Ziel oder der Zweck, um dessentwillen etwas geschieht Schutz vor Unwetter Stolz Heil Handlung

Zeit und Ewigkeit

Wenn wir über Kausalität und Determinierung reden, vermischen sich oft Physik und Philosophie. So treffen wir zum Beispiel mit der Quantenphysik auf eine weitere Antinomie, zu mindestens wenn wir auf Bohm und Einstein hören. Diese deuten nämlich die Quantentheorie und sich daraus ergebenden scheinbaren physikalischen Zufallsereignisse als genau das: scheinbare Zufälle. Und zwar sehen sie die Ergebnisse der Quantenphysik als reinen epistemischen Indeterminismus und nicht als ontologischen. Denn nach Bohm und Einstein wissen wir einfach noch zu wenig, um uns festlegen zu können und aus der Quantenphysik ein indeterministisches Universum ableiten zu können. Wenn wir noch die Theologie ins Boot holen, wird das gesamte Theoriekonstrukt noch einmal auf eine höhere Ebene verlagert. Denn selbst wenn das Universum auf der physikalischen Ebene tatsächlich indeterminiert wirkt, so können wir daraus nicht schließen, dass dies auch auf der metaphysischen Ebene der Fall ist. Gott könnte ja Dinge auf so eine Art und Weise determinieren, dass sie in der messbaren Welt rein zufällig aussehen.

Wenn wir jetzt noch die Größe bzw. das Konzept der Zeit in die Diskussion mit einbringen, hat das Auswirkungen auf unser Verständnis von Kausalität. Wenn wir dann auch noch von Ewigkeit sprechen, wird es ganz tiefgründig philosophisch mit allerlei möglichen Rückkopplungseffekten auf unsere Theologie. Allein der Aspekt der Ewigkeit ist für uns Menschen bereits so scheinbar unverständlich tief gehend wie das ganze Thema Freiheit und Determinismus an sich. Folgende drei bekannte Einordnungsmöglichkeiten der Konzepte Ewigkeit, Zeit und Kausalität bei Gott gibt es:

  • Ewigkeit als Zeitlosigkeit (Augustinus): Hier wäre Gott dem Kausalprinzip entzogen.
  • Ewigkeit als Gleichzeitigkeit bzw. ewige Gegenwart (Boethius): Hier wäre Gott dem Kausalprinzip entzogen.
  • Ewigkeit als anfangsloser und endloser Fluss der Zeit (Richard Swinburne): Hier wäre Gott dem Kausalprinzip unterworfen.

Auch steht dies alles in Wechselwirkung mit der Zwei-Naturen-Lehre, was man schon an der Vokabel “unterworfen” im Zusammenhang mit Gott erahnen kann.

Freier Wille

Zum freien Willen wurde viel geschrieben und gesagt. Es halten sich aber viele Missverständnisse und Strohmänner auf beiden Seiten der Debatte:

Missverständnisse

Selbst ein unfreier Wille, wenn dieser existieren würde, wäre immer noch ein authentischer eigener Wille. Gott hat ja in beiden Modellen keine Marionetten geschaffen, sondern würde den Willen ja entsprechend und unter Einbeziehung der Persönlichkeit des Menschen determinieren. Für alle menschlichen Subjekte wäre der Unterschied ohnehin nicht ersichtlich und somit auch nicht feststellbar. Es ist eine Sache, die nur Aufgrund göttlicher Offenbarung geklärt werden kann.

Wenn der Wille unfrei wäre, müssen wir auch hier wieder die Unterscheidung vornehmen, ob etwas ontologisch der Fall ist und ob wir es epistemologisch erkennen können. Denn der Mensch ist kein laplace’scher Dämon und daher ist ein gelebter/praktischer epistemischer Indeterminismus möglich! Der Mensch weiß eben nicht alle Determinanten, sodass die Determination oft keinen Unterschied im Leben machen würde. Somit ist eine Willensfreiheit, wie sie vom Menschen empfunden wird, zu erklären. Eine empfundene Willensfreiheit ist also mit einem ontologischen Determinismus kompatibel.

Auf der anderen Seite folgt nicht aus der Tatsache, dass Gott der Verursacher der Freiheit ist, dass es keine genuine Freiheit wäre. Sonst wäre Gott ja nicht der Verursacher der Freiheit, denn die gibt es nur genuin, sondern Er wäre der Verursacher der Unfreiheit.

Auch bedeutet Willensfreiheit nicht, dass der menschliche Wille stärker ist als der Wille Gottes. Es ist nicht eine Herabstufung der Souveränität Gottes, immer hin hat Gott ja in Seiner Souveränität den freien Willen des Menschen gewollt. Aber aus der Existenz des freien Willen eine Schwächung Gottes abzuleiten, wäre wie aus der Existenz der Sünde die Schwäche des Willen Gottes abzuleiten. Immerhin sündigen ja auch Menschen in einem unfreien, von Gott beherrschten Universum. Nein, diese ganzen Schlussfolgerungen folgen einfach nicht, sondern sind häufig undurchdachte Polemiken.

Abgrenzung zum Zufall

Da Willensfreiheit an das Vorliegen alternativer Handlungsmöglichkeiten (d.h. anders handeln können) bei gleicher kausaler Vorgeschichte bindet, muss seine Vertreter begründen, weshalb indeterminierte Entscheidungen keine Zufallsereignisse sind. Wie lässt sich also freier Wille vom Zufall unterscheiden und somit abgrenzen?

Zunächst einmal ist festzustellen, dass ein freier Wille nicht identisch mit dem Zufall ist, denn sonst hätte alles Zufällige auch einen freien Willen. Das käme einer Personifizierung des Zufalls gleich. Wie immer man also den freien Willen oder den Zufall definieren mag, ob man darin eine Entscheidung, Determinierung oder bloß ein Resultat sieht, so ist der freie Wille dann jene Sache plus eine Absicht, der Zufall jedoch nur jene Sache ohne jede Intentionalität. Freier Wille in persönlich und Zufall ist unpersönlich. Die Causa formalis ist also beim freien Willen eine andere als beim Zufall. Man könnte berechtigterweise viel eher die Frage stellen, ob so etwas wie Zufall überhaupt existiert, oder ob nicht jedes Ereignis durch persönliche Subjekte determiniert wird. Manche Ereignisse eben durch den freien Willen des Menschen, alle anderen wiederum durch den freien Willen Gottes.

Vorherbestimmung

Auch zum Thema Vorherbestimmung bzw. Determinismus gibt es Missverständnisse und Missrepräsentationen beider Lager:

Missverständnisse

Der Determinismus bedeutet nicht gleich ein Fatalismus. Er kann mitunter zu einer fatalistischen Grundhaltung führen, muss es aber nicht zwangsläufig bzw. je nachdem wie man aus Sicht eines Deterministen determiniert wurde 😉

Der Determinismus behauptet gerade nicht, dass alles, was geschieht, unabhängig von menschlichen Entscheidungen und Handlungen sei. Sondern er behauptet nur, dass die Entscheidungen und Handlungen des Menschen in den universellen Kausalzusammenhang integriert sind. Auch kann beispielsweise der Calvinist auf Gottes eingreifen hoffen, sodass selbst bei ungünstiger Ausgangslage, ein bestimmter Ausgang nicht zwangsläufig zu erwarten ist, auch wenn es naturalistisch determiniert wäre. Denn zu mindestens wenn wir den theologischen Determinismus betrachten, gilt: Die metaphysische Determination schlägt die naturalistische!

Der Fatalismus hingegen behauptet, dass nicht nur die Entscheidungsfreiheit nicht gegeben ist, sondern auch die Handlungsfreiheit nicht existent bzw. eine Illusion ist. Im Alltag ist jeder Mensch sowieso epistemischer Indeterminist, da der universelle metaphysische Determinismus von Menschen nicht nachvollzogen wird bzw. er in der Regel nicht offenbart ist. Und da wir nicht genug Offenbarung von Gott über die Determinierung unseres Alltags haben, sind theistische Deterministen gerade keine Fatalisten!

Das Vorherwissen Gottes muss nicht zwangsläufig determinierend wirken, wie viele Calvinisten annehmen. Zwar ist es zweifelslos so, dass Gott in Seinem Vorherwissen nicht irrt und das auch geschieht, was Er weiß. Doch das Vorauswissen muss nicht zwingend einen Determinismus nach sich ziehen. Man kann ja auch freie (sich selbst determinierende) Ereignisse vorauswissen. Oder um es einmal formal-logisch aufzudröseln:

Wenn Gott zum Zeitpunkt t1 weiß, dass p zum Zeitpunkt t2 geschieht, dann geschieht p zum Zeitpunkt t2. Doch daraus folgt nicht, dass p notwendigerweise zum Zeitpunkt t2 der Fall ist, d.h. wenn p zum Zeitpunkt t2 nicht der Fall ist (und das wäre möglich), dann hätte Gott zum Zeitpunkt t1 gewusst, dass p zum Zeitpunkt t2 nicht der Fall ist. Dass Vorauswissen determinierend wirkt, ist also ein modallogischer Fehlschluss.

Das Problem dabei ist, dass Gott, der in Ewigkeit vorausweiß, ein Vorauswissen zu bestimmten Zeitpunkten zugeschrieben wird. Anders ausgedrückt: Gottes Vorauswissen wird von den Handlungen der Zukunft abhängig gemacht. Dies widerspricht dem Kausalgesetz, nach dem die Ursache gemäß der Definition nicht nach dem Ereignis liegen darf (Retrokausalität konnte allerdings bisher nicht bewiesen noch widerlegt werden). Ist aber Gottes Ewigkeit eine “Gleichzeitigkeit” (Boethius) oder “Zeitlosigkeit” (Augustinus), dann stellt dies kein Problem mehr dar. Gott wird bei Vorauswissen nicht mehr oder weniger “abhängig” von Geschöpfen als Er beim Schaffen der Zeit “abhängig” von der Zeit wird (siehe auch Abschnitt zu Zeit und Ewigkeit).

Das Vorherwissen ist epistemologischer Natur und der Inhalt des Vorhergewussten ontologischer Natur. Das perfekte Vorherwissen, also die perfekte Epistemologie, hat keine Implikationen für die Ontologie des Gewussten. Nicht die Epistemologie hat Einfluss oder ist bestimmend für die Ontologie, sondern die Ontologie ist konstituierend dafür, was die Epistemologie zu Tage fördern kann.

Desweiteren gilt, dass wenn Gottes Vorherwissen determinierend wirken würde und somit die Freiheit des Menschen ausschließen würden, dann würde es auch Gottes Freiheit ausschließen, denn Gott weiß auch vorher, was Er tun wird. Wenn aber Gott trotzdem einen freien Willen haben kann, den Er bloß voraussieht und nicht vorherbestimmt, dann kann der Mensch auch einen genuin freien Willen haben, den Gott nur voraussieht. Man könnte allerdings sagen, dass der freie Wille Gottes durch Sein Wesen determiniert ist. Doch darauf lässt sich leicht einwenden, dass es eventuell mehrere Welten bei der Schöpfung gibt, die Gottes Wesen entsprächen. Es ist also doch ein freier Wille bei Gott vorhanden, der sich eine dieser Welten für Seine Schöpfung aussucht.

Wir haben auch zu beachten, dass der Determinismus an sich ist nicht gegensätzlich zu Entscheidungsfreiheit ist. Nötigung ist es. Es ist nicht das Vorherwissen, das freien Willen unmöglich macht sondern der Zwang. Nicht eine fixe Raum-Zeit macht eine Entscheidung notwendig und zwangsläufig, denn die Freiheit kann darin authentisch eingewoben sein.

Es ist zudem eine unbelegte philosophische Vorannahme, die durch ein mechanistisch-empirisches Weltbild geprägt ist, dass Kausalität immer deterministisch agiert. Es kann jedoch philosophisch durchaus gedacht werden, dass Kausalität auch indeterministisch (nicht-determinierend) wirkt. Dies ist zwar häufig kontra-intuitiv und konträr zu unseren empirischen Alltagserfahrungen, aber an dem Gedanken ist nicht Irrationales oder Widersprüchliches. Ohne unseren weltanschaulichen Bias ist dies sehr wohl denkbar. Mittlerweile scheinen manche empirischen Erkenntnisse aus der Quantenphysik ohnehin dieses mechanistische Weltbild in Frage zu stellen und indeterministische Kausalitäten zu befürworten. So sind auch selbstverursachte Handlungen möglich, bloß selbstverursachtes Sein ist unmöglich. Somit ist ein reiner freier Wille als Institution in dieser Welt möglich. Er generiert selbst-determinierend neue Handlungen und ist darin von nichts determinierend abhängig. Alleine seine Existenz, dass er als Institution und Fähigkeit in dieser Welt vorhanden ist, wurde nicht durch ihn selbst verursacht, sondern von einem Schöpfer.

Verantwortung

Häufig wird Deterministen von Vertretern der Willensfreiheit vorgeworfen, dass Verantwortung nur auf Grundlage eines freien Willens möglich ist. Aber auch hier wird leider häufig zu schnell gegen Deterministen geschossen. Verantwortung muss vielleicht gar nicht von Willensfreiheit abhängig sein. Denn es gibt auch eine mögliche kompatibilistische Erklärung:

Deterministische Apologeten wenden nämlich ein, dass dieser ganze Vorwurf, dass ohne Willensfreiheit auch die Verantwortung verloren geht, auf einer Verwechslung von Begriffen basiert. So wird Naturgesetz unbewusst mit einem staatlichen Gesetz gleichgesetzt. Somit wird Gesetzmäßigkeit (Kausalität) mit Zwang verwechselt und Gesetzlosigkeit (Zufall) mit Freiheit. Die Frage der Verantwortung sei aber die Frage nach dem Täter. Ein “Täter” ist jedoch eine personale Größe, denn nur eine Person hat Motive (siehe den Unterschied zwischen Zufall und Willensfreiheit weiter oben).

Es wird argumentiert, dass die Abwesenheit von Zwang und die Zurechnung einer Handlung zur Person des Täters ausreichend ist für Verantwortung. Denn eine Täter-Person hat in der Regel ein Bewusstsein von Verantwortung. Das Bewusstsein von Verantwortung ist nicht etwa ein “Bewusstsein der Ursachenlosigkeit” sondern ein “Bewusstsein, dass ich so handeln kann, wie ich wünsche”. Es geht hier also nicht darum, ob eine Sache kausal determiniert ist oder nicht, sondern ob Intention vorliegt. Die Aussage “die Person hätte anders handeln können” meint eigentlich “wenn die Person anders gewollt hätte bzw. andere Motive gehabt hätte”. Wenn aber die Welt determiniert ist, sind auch alle Motive ebenfalls determiniert. Für die Verantwortung spielt es demnach keine Rolle, welche Ursachen Intentionen haben, sondern nur, dass Intentionalität überhaupt vorliegen. So ist dementsprechend nicht die Entscheidungsfreiheit sondern die Handlungsfreiheit konstituierend für Verantwortlichkeit.

Ebenso verlangt die Verantwortlichkeit immer ein Objekt, gegenüber dem man verantwortlich ist. Demnach ist dann Gott auch nur gegenüber sich selbst verantwortlich, weshalb Er von uns Menschen in einer deterministischen Theologie auch nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Somit fällt auch das Argument weg, dass man ohne freien Willen des Menschen ja Gott für alles verantwortlich machen könnte. Eventuell kann man aber auch sagen, dass Verantwortung daher kommt, dass uns jemand zur Verantwortung zieht, also verlangt, dass wir ihm antworten. Dieser jemand muss dazu auch die Macht haben uns effektiv zur Verantwortung zu ziehen. Nach dieser Erklärung wären wir dann verantwortlich, nicht weil wir frei sind, sondern gerade weil Gott souverän ist und uns somit auch zur Verantwortung ziehen kann. Manche Calvinisten nutzen diese Art der Apologetik und verweisen halb polemisch, aber auch halb ernst auf Mk 11,14, wonach Gott selbst einen Feigenbaum zur Verantwortung ziehen und “bestrafen” könne.

Wir sollten also aufpassen bei Themen wie dem freien Willen, Vorherbestimmung und Verantwortung nicht zu schnell zu verurteilen, da manche Apologeten der Gegenseite durchaus eine durchdachte Begründung bzw. ein durchdachtes System liefern können. Ob diese letztlich auch jeder Prüfung standhalten, ist damit natürlich nicht ausgesagt. Wichtig ist nur, dass wir in unserer persönlichen Apologetik keine Strohmänner umhauen, sondern wenn schon, dann direkt zum Kern der Sache vordringen.

Theodizee

Häufig ist die Theodizee-Frage ein Antrieb für die Apologetik gegen eine bestimmte Position. Wenn Gott zur Verantwortung gezogen oder sein Ehre angegriffen wird, ärgert das uns Christen verständlicherweise. Wichtig ist, dass wir auch hierbei einen kühlen Kopf bewahren und die Argumente als solche anschauen und nicht zu voreilige Schlüsse ziehen.

So wahr auch der freie Wille des Menschen ist, so ernüchternd müssen wir häufig feststellen, dass dieser oft nicht wirklich zur Verteidigung Gottes zu gebrauchen ist. Man kann Gott zum Beispiel nicht pauschal von einer gewissen Mitverantwortung schützen (zu mindestens im Rahmen eines bestimmten Verantwortungsbegriffes), wenn wir den freien Willen des Menschen vorschieben. Denn es gibt zahlreiche Dinge, wofür man Gott verantwortlich machen könnte, mit denen der Mensch direkt erst einmal nichts zu schaffen hat: Z.B. Naturkatastrophen oder überhaupt die Zulassung oder Inkaufnahme des freien Willens und seinen Folgen. Wie wir schon gesehen haben, ist das Verantwortung ziehen ohnehin nur hypothetisch, da nur wir Menschen gegenüber einer höheren Instanz verantwortlich sind (Antwort geben müssen). Gott hat keine höhere Instanz und ist so im rechtlichen Sinne niemanden gegenüber verantwortlich. Freilich können Menschen Gott weiterhin auf ihrer Ebene anklagen. Doch das könnten sie obgleich nun Dinge von Gott vorherbestimmt wurden oder nicht. Obgleich die Verantwortlichkeit Gottes gerechtfertigt ist oder nicht. Ganz gleich ob es selbst im eigenen Modell Sinn ergibt oder nicht. Wer Gott anklagen will, kann das immer. Ob dies im Einzelfall immer sinnvoll ist, steht auf einem anderen Papier, getan werden kann es aber. Daher ist es auch müßig Gott verteidigen zu wollen, denn man kann Ihn weiterhin immer auch zu unrecht anklagen. Und häufig stammt der menschliche Drang Gott anzuklagen aus der Sündhaftigkeit des Menschen selbst. Da hilft auch die beste Theodizee nichts.

Im Übrigen ist auch festzuhalten, dass das Zulassen des Bösen nicht bedeutet, dass Gott will oder nicht will, dass das Böse getan wird. Es bedeutet lediglich, dass Gott will, dass das Böse zugelassen werden darf.

Das Böse

Das Böse wurde in der Geschichte auf unterschiedliche Weise definiert und erklärt. Manche erklären, dass das Böse einfach nur das Gegenteil vom Guten ist (Negation), andere wiederum sehen im Bösen bloß die Abwesenheit bzw. Entbehrung des Guten (Privation).

Ist das Böse die Negation von Gut, dann stehen sie im kontradiktorisch-konträren Verhältnis zueinander. Dieses kontradiktorische Verhältnis wird dann wiederum verwendet, um den Konflikt von Gut und Böse im Christentum kontradiktorisch auszudeuten. Eine Apologetik dagegen ist das Böse als die Privation vom Guten zu definieren, denn dann stehen sie nur im konträren Verhältnis zu einander, nicht aber im kontradiktorischen. Allerdings ist das Böse ist kein Objekt oder Wesen (im ontologischen Sinne), was für sich alleine existiert, ohne dass es mit einer intelligenten Entität verbunden sein muss. Auch das “Gute” existiert nicht auf diese Weise. Gott ist gut und somit das Gute und Satan ist böse und somit das Böse. Satan ist aber keine Privation von Gott. Würde Gott aufhören zu existieren, wäre auch Satan weg und nicht etwa nur Satan da, wie es die Privation nahelegt. Man könnte hier allerdings noch einwenden, dass Satan dann nicht mehr da wäre, weil überhaupt gar nichts mehr da ist und existiert, auch nichts wovon man eine Privation sein könnte und auch keine Realität, in der das stattfinden könnte.

Die Kritik an der Privation-Apologetik fährt wie folgt fort: Wenn das Böse also die bloße Privation des Guten ist und Gott gut ist, würde dies bedeuten, dass das Böse ontologisch grundlegender ist als Gott selbst, wenn das Böse nicht von Gott abhängt, sondern im Gegenteil von Seiner Nicht-Anwesenheit abhängt. Da das Böse notwendigerweise mit einer Entität verbunden ist, könnte dies sogar bedeuten, dass Satan grundlegender ist als Gott. Das wäre ja noch schlimmer als ein bloßer Dualismus, wo wenigstens noch Gott und Satan auf einer Stufe stünden.

Wie könnten wir also auf der Negation-Schiene weiterfahren, wenn die Privation als Erklärung des Bösen nicht befriedigend ist? Dazu können wir eine Analogie nutzen, wo jeder zustimmen würde:

Gott kann als ewiges Wesen zeitliche Wesen schaffen. Ewig bedeutet jedoch keinen Anfang und kein Ende zu haben. Zeitlich hingegen bedeutet, dass etwas entweder mindestens einen Anfang oder ein Ende hat. Somit sind die Konzepte von Ewigkeit und Zeitlichkeit ebenso Negationen und folglich kontradiktorisch. Da aber jeder anerkennen muss, dass Gott das Zeitliche offensichtlich geschaffen hat, erkennen wir daraus, dass Gott also sehr wohl etwas erschaffen kann, das kontradiktorisch zu ihm in Beziehung steht. Daraus folgt, dass Gott zu Ihm im kontradiktorisch-konträren stehende Wesen oder Dinge schaffen kann. Somit könnte man sagen, dass Gott auch böse Wesen verursachen könnte und durch das Verursachen des Bösen genauso wenig böse wird, wie Er durch das Verursachen einer endlichen und begrenzten Welt selbst endlich und begrenzt wird. Ich sage nicht, dass Gott das Böse verursacht hat, nur kann man es nicht gleich philosophisch ausschließen – höchstens theologisch! Es ist auf jeden Fall festzuhalten, dass es einen Unterschied zwischen dem metaphysischen Erschaffen des Bösen und dem ethischen Ausüben des Bösen gibt und auch nichts über den Sinn und Zweck des Bösen in dieser Welt. Die Absicht Gottes mit dem Bösen kann eine gute sein. Unsere mögliche Unwissenheit über dieses gute Ziel, das Gott mit dieser Welt verfolgt, sagt nichts über dessen Existenz oder Nicht-Existenz aus.

Und auch hier gilt wieder: Gott von der Erschaffung des Bösen zu trennen, hat wenigen apologetischen Erfolg in der Theodizee-Frage. Denn wenn Gott nur die Sünder oder den freien Willen schafft, nicht aber die Sünde, so hat Er sie dennoch vorhergesehen und könnte von sündigen Menschen weiterhin der Fahrlässigkeit oder der Zustimmung beschuldigt werden. Sie könnten außerdem sagen: “Gott lässt sich zu viel Zeit bei der Beseitigung der Sünde und vergrößert somit das Leid, das durch Sünde entsteht.”

Theologische Positionierungen

Mit der Zeit haben sich viele (auch häretische) theologische Positionierungen (ja teils Konfessionen) zu dieser gesamten Thematik herauskristallisiert. Man erkennt schnell, das Entscheidungen, die in diesem Themenfeld getroffen werden, Auswirkungen auf die Heilslehren haben. Umso wichtiger ist es, dass man sich hier im Rahmen der dogmatischen Grenzen bewegt, die die katholische Kirche durch die Jahrhunderte definiert hat.

Konfession: Rechtfertigung aus Glauben allein (Sola Fide)? Heiligung heilsnotwendig? Heiligung garantiert? Heilssicherheit vorhanden? Willensfreiheit vorhanden? Opfer:
Katholisch / Orthodoxe Nein Ja Nein Nein Ja Sicherheit
Calvinismus Ja Ja Ja Ja Nein Willensfreiheit
Free Grace Ja Nein Ja/Nein Ja Ja/Nein Christliches Leben oder Willensfreiheit
Arminianisch Ja Ja Nein Nein Ja Sicherheit
Lutherisch Ja Verbleib in Glauben notwendig Nein Nein Nein Willensfreiheit und Sicherheit

Meine persönliche Position

Ich selbst fühle mich dem Molinismus verbunden. Der Molinismus ist in diesem Themengebiet genau wie der Thomismus eine legitimes katholisches Erklärungsmodell, das den Rahmen der Rechtgläubigkeit nicht verlässt und alle dogmatischen Grenzen einhält.

In kürze gesagt verbindet der Molinismus die Freiheit des Menschen mit der Souveränität Gottes in diesem Sinne, dass Gott nicht etwa die Freiheit des Menschen durch absolute Determinierung zu Grunde richtet, sondern dass Gott in Seiner Allwissenheit einfach alle möglichen Welten kennt, in der durch genuin freie Entscheidungen der Menschen verschiedene Ausgänge erzeugt werden. Als dann Gott die Welt tatsächlich erschuf, suchte Er sich bloß eine dieser möglichen Welten in Seiner Souveränität aus und lässt sie dann Realität werden. So setzt Gott Seinen Willen durch ohne den Willen der Menschen zu missachten. Es werden einfach die möglichen Welten übergangen, wo die Menschen mit ihrem freien Willen ein anderes Resultat erzeugen würden als das, was Gott bestimmt hat.

Das ist, wie ich meine, eine elegante kompatibilistische Lösung oder viel mehr eine Lösung, die erst gar keinen Konflikt aufkommen lässt, den es zu lösen gilt.

Allerdings stimmt dies nur bedingt. Denn auch im Molinismus herrscht ein schwacher Determinismus, denn Gott muss ja irgendwie eine Welt in die Existenz bringen und dort eine gewollte Auswahl des freien Willen auch irgendwie sicherstellen. Aber Gott kann ja eben nicht einfach den freien Willen determinieren und trotzdem muss sich die molinistisch ausgesucht Welt Gottes manifestieren. Wie dieser Mechanismus sicherstellt, dass trotz Freiheit die ausgesuchte Welt real wird, obwohl sie dann ja bereits schon “abläuft”, ist das, was ich schwachen Determinismus nenne. Ich vermute, dass ich hier einfach ein falsches Verständnis von Zeit und Ewigkeit habe oder dass mein mechanistisches Denken mir hier einen Strich durch die Rechnung macht. Dennoch halte ich persönlich den Molinismus für das beste katholische Erklärungskonzept.

Ausblick und schwierige Fragen

Es bleibt zu hoffen, dass die Kirche in Zukunft mehr Dogmen definiert, damit uns viele Dinge klarer werde. Die meisten Systeme, die bisher entwickelt wurden, scheinen schwächen aufzuweisen. Manche System haben gute Antworten auf manche schwierige Probleme, werfen aber selbst neue Fragen auf. Es gibt viele schwierige Fragen, die es zu beantworten gilt.

Wieso gibt es beispielsweise im Himmel keine Sünde und trotzdem Freiheit. Und wieso haben die Engel (Satan) trotz der Gottesschau gesündigt? Ist Jesus in der menschlichen Natur theoretisch frei zu sündigen? Kann man effektiv für die Bekehrung von Menschen beten bei Existenz eines freien Willens? Kann oder will Gott da überhaupt eingreifen? Macht Gott nicht sowieso alles in Seiner Macht stehende, auch wenn ich als Individuum das Beten vergesse?

Es gibt viele berechtigte Fragen, die man sich stellen kann. Diese müssen an anderer Stelle beantwortet werden, da dieser Artikel nur einen Überblick über den gesamten Themenkomplex geben kann.

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